Wer die Schweiz besucht, wird schnell merken, dass auf jedem Auto ein "CH"-Aufkleber klebt. Alle Schweizer Webseiten enden mit "dot.ch" und auf Briefmarken steht nicht "Switzerland", sondern "Helvetia". All dies ist ein Hinweis auf den Stamm, der die Schweiz vor 2.000 Jahren bevölkerte.

Der offizielle Name der modernen Schweizerischen Eidgenossenschaft lautet „Confoederatio Helvetica“. Die Eidgenossenschaft wurde 1848 gegründet – 50 Jahre zuvor hatten die einfallenden französischen Truppen Napoleon Bonapartes die Helvetische Republik ausgerufen.

Renaissance-Schriftsteller, die die Region beschrieben, die die moderne Schweiz werden sollte, verwendeten auch den Begriff „Helvetier“. In der traditionellen Wahrnehmung der Kelten waren sie auf Europas „atlantische Randzone“ beschränkt – Irland, Wales, Schottland oder die Bretagne. Aber die keltischen Stämme waren einst über den ganzen Kontinent verbreitet, von der Türkei im Osten über das heutige Slowenien und Österreich bis nach Frankreich, Spanien und den Britischen Inseln im Westen.

Die Helvetier waren der grösste von etwa 11 sich überschneidenden keltischen Stämmen, die im Gebiet der heutigen Schweiz lebten. Sie begannen ihre langsame Migration aus dem Süden des heutigen Deutschlands vor etwa 2.500 Jahren.

Diese Bevölkerungsbewegung weitete sich um 100 v. Chr. aus, als die Helvetier unter Druck germanischer Stämme gerieten, die aus dem Norden und Osten Europas kamen. Sie liessen sich an den Schweizer Seen und Flüssen nieder, die zum Knotenpunkt der sich entwickelnden Handelsrouten des Kontinents wurden, und errichteten eine Reihe von über 400 Dörfern und ein Dutzend befestigter Städte. Die keltischen Vergangenheit der Schweiz und deren Spuren sind bis heute in der Sprache, Kultur und Archäologie sichtbar.

Obwohl die Helvetier keine eigenen schriftlichen Aufzeichnungen hinterliessen, werden sie in mehreren Chroniken dieser Zeit erwähnt. Der griechische Schriftsteller Poseidonios sagte, sie seien „ein goldreiches, aber friedliches Volk“ – eine interessante Vorahnung der modernen Schweizer.

Julius Cäsar widmete ihnen einen ganzen Abschnitt seiner „Gallischen Kriege“. Das überrascht nicht, denn der römische Führer war ein respektvoller Feind der Helvetier, gegen die er 58 v. Chr. in Genf kämpfte, nachdem sie ihre Siedlungen niedergebrannt und versucht hatten, nach Westen in friedlichere Länder vorzudringen.
Die Einwanderung in die Schweiz hatte ihnen nur eine kurze Atempause vor den vorrückenden germanischen Stämmen verschafft, die ihren Vormarsch nach Süden fortsetzten. Nach ihrer Niederlage bei Genf wurden die Helvetier von den Römern in das Konfliktgebiet zurückgedrängt und ihr Territorium wurde 15 v. Chr. eine Provinz des Kaiserreichs.

Während der darauffolgenden Periode des milden Imperialismus war der kulturelle Einfluss Roms auf die Region und ihre Bevölkerung tiefgreifend. Die Helvetier übernahmen Latein, ihre grösseren Siedlungen wurden zu bedeutenden römischen Städten und das Straßennetz wurde erweitert, um die Flussrouten der Kelten zu ergänzen. Die römische Herrschaft dauerte an, bis die helvetische Provinz nach einer langsamen Infiltration um 400 n. Chr. schliesslich unter die Kontrolle der germanischen Burgunder und Alemannen fiel. Doch die helvetischen Kelten blieben und lebten Seite an Seite mit den Neuankömmlingen.

Spuren der latinisierten Helvetier haben sich in der heutigen Schweiz erhalten. Die Sprachtrennung des Landes ist ein Beispiel dafür. Die Alemannen, die sich im Osten niederliessen, behielten ihre germanischen Dialekte. Der französischsprachige Begriff für die Deutschschweiz bleibt „la Suisse alémanique“.
Aber die Burgunder, die den Westen kolonisierten, übernahmen die lateinischen Dialekte der Helvetier. Die Westschweiz ist somit ein kultureller Fussabdruck der Kelten. Auch die deutschen Namen der Kantone Wallis – „Wallis“ – und Waadt – „Waadt“ – beziehen sich auf die Helvetier. Wie „Wales“ sind beides ursprünglich Begriffe, die von den germanischen Stämmen verwendet wurden, um „Fremde“ zu beschreiben, die Kelten, denen sie begegneten.

Das heutige Avenches mit seinem beeindruckenden Amphitheater zum Beispiel war eine romanisierte helvetische Siedlung namens Aventicum. Yverdon ist ebenfalls ein rein keltischer Name. Manchmal überrascht es die Leute, dass Bern eine bedeutende keltische Siedlung war – und zwar nicht an der Aareschleife, wo die mittelalterliche Stadt gegründet wurde, sondern an der Enge, einer steilen Halbinsel etwa vier Kilometer nördlich.
Gleich oberhalb von Avenches befindet sich die Stätte einer kleineren Festung, wo Archäologen eine vergrabene Schicht Holzkohle entdeckt haben, die die Überreste bedeckt. Die keltische Vergangenheit des Landes weckt in der Schweiz immer noch wachsendes Interesse.

In Corbeyrier, einem kleinen Bergdorf im Kanton Waadt, haben die Einwohner ihr Interesse an der Vergangenheit zu einem besonderen Thema gemacht. Um den Bekanntheitsgrad des Ortes zu steigern, beschlossen sie 1996, ein keltisches Festival zu veranstalten. Der örtliche Lehrer und Amateurhistoriker Max-Olivier Bournoud glaubt, dass Corbeyrier an einer wichtigen Handelsroute lag, über die Zinn aus dem britischen Cornwall nach Griechenland gebracht wurde. Er hat auch eine Reihe keltischer Stätten und Ortsnamen in der Region identifiziert.

Zahlreiche Leute in der Schweiz interessieren sich zunächst für keltische Musik – etwa aus Irland oder der Bretagne – und möchten dann mehr über die Schweizer Vergangenheit erfahren. Manche Schweizer gehen mit ihrem Interesse an der keltischen Vergangenheit noch einen Schritt weiter. Solas ist eine praktizierende Druidin aus dem Kanton Waadt. Sie sagt, sie habe vor einigen Jahren angefangen, über keltisches Druidentum zu lesen, und sei zu dem Schluss gekommen, dass ihr die Philosophie gefällt. Es ist nicht so sehr eine Religion als vielmehr eine Lebensweise. Unsere helvetischen Vorfahren sind unsere Wurzeln, und ich fühle mich stark mit ihnen verbunden“, sagte sie.

Möglich ist, dass das Element des Unbekannten einer der Gründe ist, warum die Menschen die Kelten so anziehend finden. Weil sie keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterlassen haben, aber über sie geschrieben wurde, und weil wir nur wenige archäologische Überreste haben, finden wir die Helvetier geheimnisvoll und abenteuerlich.

Welche Spuren der keltischen Vergangenheit lassen sich heute noch in der Schweiz finden?

Es gibt viele Beispiele der keltischen Spuren, die sich bis heute in der Schweiz erhalten haben.

Sprache: Viele Ortsnamen wie Yverdon oder Wallis stammen aus der keltischen Sprache der Helvetier.

Architektur/Stadtplanung: Orte wie Avenches und Bern gehen auf keltische Siedlungen und Befestigungen zurück.

Archäologische Funde: Ausgrabungen haben Überreste von verbrannten Siedlungen sowie keltischen Schmuckstücken und anderen Artefakten zutage gefördert.

Kultur: Moderne Traditionen wie Festivals und das Interesse an keltischer Musik und Philosophie zeugen vom bleibenden Einfluss der Kelten in der Schweiz.

Staatssymbolik: Der Name "Confoederatio Helvetica" sowie das "CH" auf Kennzeichen und Internetadressen verweisen auf die keltischen Helvetier als historische Wurzeln der Eidgenossenschaft.

Es gibt  also viele Spuren der keltischen Vergangenheit bis heute in Sprache, Architektur, Archäologie und Kultur der Schweiz präsent und tragen zur Identität des Landes bei.

Wie kam es zum Interesse an der keltischen Kultur in der Schweiz?

Das wachsende Interesse an der keltischen Kultur in der Schweiz lässt sich aus mehreren Faktoren erklären.
Suche nach Identität und Verwurzelung. Mit der Globalisierung verspüren viele Menschen den Wunsch, ihre lokalen Wurzeln und Traditionen zu entdecken. Die geheimnisumwitterte keltische Vergangenheit der Schweiz bietet dafür einen interessanten Anknüpfungspunkt.

Faszination für das Unbekannte. Da die Kelten keine eigenen schriftlichen Aufzeichnungen hinterließen, weckt ihre Geschichte grosses Interesse. Die wenigen archäologischen Funde und Berichte anderer verstärken den Reiz des Geheimnisumwitterten. Kulturelle Veranstaltungen und Initiativen. Ausstellungen zu keltischem Schmuck und Schmuckfunden haben grosses Besucherinteresse erfahren. Veranstaltungen wie das keltische Festival in Corbeyrier tragen dazu bei, das Bewusstsein für die keltische Vergangenheit zu schärfen.

Verbindung zu anderen keltischen Kulturen. Menschen, die sich zunächst für keltische Musik aus Irland oder Bretagne interessieren, entwickeln oft auch Interesse an der Schweizer Keltologie. Dies zeigt die Vernetzung der verschiedenen keltischen Kulturen.

Dies zeigt, dass sowohl der Wunsch nach lokaler Identität als auch die Faszination für das Geheimnis- und Abenteuerreiche der keltischen Vergangenheit zu einem wachsenden Interesse in der Schweiz beigetragen haben.

Warum übt die Unbekanntheit der Kelten eine besondere Anziehungskraft aus?

Die Unbekanntheit und Geheimnisumwittertheit der Kelten übt eine besondere Anziehungskraft aus. Fehlende Schriftquellen lassen Raum für Fantasie. Da die Kelten selbst keine schriftlichen Aufzeichnungen hinterliessen, muss ihre Geschichte aus wenigen archäologischen Funden und Berichten anderer rekonstruiert werden. Dies lässt viel Raum für Spekulation und Fantasie, was die Faszination für die Kelten verstärkt.

Archäologische Reste geben Rätsel auf. Die wenigen archäologischen Überreste der keltischen Kultur, wie Siedlungsreste oder Schmuckstücke, geben Rätsel auf, die es zu entschlüsseln gilt. Diese Rätselfreude treibt die Forschung an und nährt das Interesse der Öffentlichkeit. Unbekannte Lebensweise weckt Neugier. Da über die genauen Bräuche, Traditionen und die Lebensweise der Kelten nur wenig bekannt ist, weckt dies die Neugier der Menschen. Das Unbekannte und Geheimnisvolle reizt die Fantasie und zieht viele Interessierte an.

Offene Fragen lassen Interpretationsspielraum. Viele Aspekte der keltischen Kultur, wie etwa ihre Religion oder Philosophie, sind nicht abschliessend geklärt. Dieser Interpretationsspielraum ermöglicht es, die Kelten individuell zu entdecken und zu deuten.

Die Unbekanntheit der Kelten übt eine besondere Anziehungskraft aus, da sie Raum für Spekulation, Fantasie und eigene Interpretationen lässt - was die Faszination für diese mysteriöse Kultur nachhaltig befördert.

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